Mit Naturheilmitteln gegen chronische Muskelschmerzen
Herkömmliche Schmerzmittel erweisen sich bei Fibromyalgie als nutzlos.
Bis vor wenigen Jahren konnten selbst manche Mediziner mit Fibromyalgie-Patienten wenig anfangen, galten die über den ganzen Körper verteilten Muskelschmerzen als „somatoforme“ Erkrankung – ausgelöst durch psychische Probleme, die zu körperlichen Beschwerden führen.
Diese Sichtweise hat sich gründlich geändert. „Auch wenn die Ursachen immer noch weitgehend unklar sind, zweifelt heute niemand mehr daran, dass es sich bei der Fibromyalgie um eine ernst zu nehmende Krankheit handelt“, sagt Dr. Reinhold Lunow.
Immerhin 1,5 Millionen Menschen, also ca. 2 % der Bevölkerung, sind daran erkrankt. Im Schnitt sind Frauen 9-mal häufiger betroffen als Männer.
Früher wurde die Krankheit oft als Weichteilrheumatismus bezeichnet. „Fibromyalgie" bedeutet „Faser-Muskel-Schmerz". Sie äußert sich in allgemeinen Muskel- und Bindegewebsschmerzen sowie einem Schmerz über bestimmten Druckpunkten („Tender Points") in Muskel-Sehnen-Ansätzen. „Neben chronischen Schmerzen, vor allem einem Spannungskopfschmerz, leiden die Patienten in erster Linie unter Schlafstörungen, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen und Depressionen“, weiß der Internist und ärztliche Leiter der Praxisklinik Bornheim zwischen Köln und Bonn aus seiner langjährigen Erfahrung.
Bei Fibromyalgie ist die Schmerzwahrnehmung gestört
Die Experten gehen davon aus, dass verschiedene, zum Teil unbekannte Faktoren die Schmerzverarbeitung im Gehirn stören. Als wahrscheinlich gilt, dass ein falsch programmiertes Schmerzgedächtnis die Schmerzen auslöst. Bei Fibromyalgie-Patienten geraten Regelsysteme des Gehirns durcheinander: Botenstoffe, die normalerweise für die Unterdrückung von Schmerzen zuständig sind wie das Serotonin, werden „heruntergeregelt" und weniger ausgeschüttet. Andere Stoffe werden vermehrt produziert, etwa die sogenannte Substanz P: Sie steigert die Sensitivität der Schmerzneurone im Rückenmarkund verstärkt die Übermittlung von Schmerz an das Gehirn.
„Das Gehirn nimmt so einen ständigen Schmerzreiz wahr, der seinerseits die Empfindlichkeit der Nervenzellen so weit reizt, dass sie weiter aktiv bleiben – über den eigentlichen Schmerzreiz hinaus“, erklärt Dr. Lunow. Dass es sich also um ein Wahrnehmungsproblem unseres Gehirns handelt, würde auch erklären, warum an den schmerzenden Stellen keine krankhaften Veränderungen oder Entzündungszeichen gefunden werden. Stattdessen klagen Betroffene über eher unspezifische Beschwerden wie Schwellungen in Gesicht, an Händen und Füßen in Verbindung mit versteiften Gelenken.
Als mögliche Auslöser kommen psychischer Stress, Verletzungen, Operationen oder auch eine falsche Körperhaltung mit einer Schwächung der Bänder in den Gelenken in Betracht. Eine vollständige Heilung ist bislang noch nicht möglich, allerdings versprechen Behandlungsansätze Erfolg, die Schulmedizin mit Allgemeinmedizin verbinden.
Vorsicht bei Schmerzmitteln gegen Fibromyalgie
In Deutschland ist derzeit kein Medikament für die Behandlung des Fibromyalgiesyndroms zugelassen. Zum Einsatz kommen daher Schmerzmittel, die eigentlich für andere Krankheiten entwickelt wurden. Amitriptylin zum Beispiel ist ein Antidepressivum, das in niedriger Dosierung muskelentspannend und schlaffördernd wirkt. Es hilft bei Fibromyalgie, weil es die Serotoninkonzentration im Gehirn erhöht.
Unwirksam sind hingegen nicht-steroidale Schmerzmittel (z. B. Ibuprofen, Diclofenac) oder Aspirin genauso wie Kortison-Präparate. „Bei der selbstständigen Einnahme solcher Präparate ist Vorsicht geboten, da sie sich in erster Linie gegen entzündlich bedingte Schmerzen richten und daher bei Fibromyalgie wirkungslos sind“, warnt Dr. Lunow.
Bei Fibromyalgie helfen Naturheilverfahren
Stattdessen haben sich verschiedene Naturheilverfahren bewährt. Dazu zählen Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelentspannung, Yoga, Nadelbehandlungen, Hypnose, Elektrotherapie, (meditative) Bewegungsübungen und Ausdauersport, Wärmeanwendungen. Bei Letzteren haben sich Bäder (Stangerbad), Packungen und Saunagänge bewährt. Grundsätzlich sollte man bei Fibromyalgie mehrere Therapieformen kombinieren, um die Beschwerden zu lindern.
Welches im Einzelfall die richtige Therapie ist, stellt sich im Gespräch zwischen Arzt und Patient heraus. Die Anamnese bietet erste wichtige Hinweise. Für eine genaue Diagnose kommen Laboruntersuchungen mit der Bestimmung von Blutsenkungsgeschwindigkeit, C-reaktivem Protein, kleinem Blutbild, Kreatinkinase, Kalzium und basalemthyroidstimulierendem Hormon hinzu.
Neben dem Hausarzt und dem Physiotherapeuten, der ggf. für eine Wiederherstellung des Bewegungsapparats sorgt, kann auch ein Psychotherapeut hinzugezogen werden. Er leitet den Patienten an, Depressionen und ggf. soziale Vereinsamung in den Griff zu bekommen oder mit dem chronischen Schmerz umzugehen.
Fibromyalgie-Patienten können aktiv mitwirken
Ein erster Schritt in der Behandlung ist die Aufklärung des Patienten darüber, dass keine organische Erkrankung vorliegt, sondern vielmehr eine funktionelle Störung. Dazu Dr. Lunow: „Aus unserer Praxisklinik wissen wir: Es ist besonders hilfreich, den Patienten aktiv in die verschiedenen Behandlungsstrategien einzubinden. Wir fördern das Bewusstsein, selbst initiativ werden zu können und den Beschwerden nicht hilflos ausgeliefert zu sein. Gemeinsam entwickeln wir ein umfassendes Therapiekonzept, um den Leidensdruck so weit wie möglich zu verringern.“
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