Ob ein Cholesterinwert zu hoch ist, hängt in erster Linie von der individuellen Risiko-Konstellation des Patienten ab. Deshalb kann man in der Regel nicht von normalen oder zu hohen Cholesterinspiegeln sprechen ohne das Gesamtrisiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Durchblutungsstörungen mit einzubeziehen.
Bei jedem Patienten sollte eine individuelle Risikobeurteilung durch einen umfangreichen Herz- Gefäß-Check durchgeführt werden. Dabei wird zwischen einem sehr hohen, hohen, moderaten und niedrigen Risiko unterschieden. Die Zielwerte für LDL-Cholesterin orientieren sich dann am individuellen Risiko.
Bei einem sehr hohen Risiko sollte ein LDL-Zielwert unter 55 mg/dl angestrebt werden, bei hohen Risiko unter 70 mg/dl , bei moderaten Risiko unter 100 mg/dl und bei niedrigen Risiko unter 116 mg/dl.
Die aktuellen gemeinsamen Empfehlungen der European Society of Cardiology (ESC) und der European Atherosclerosis Society (EAS) hierzu wurden in 2019 angepasst.
Dabei kommt dem LDL-Cholesterin als primäre Zielgröße eine überragende Bedeutung zu.
Die Bestimmung weiterer Lipidparameter wie Gesamtcholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyceride, Non-HDL-Cholesterin, Apolipoprotein B, Lipoprotein (a), Apolipoprotein B/Apolipoprotein A1 wird aber unter bestimmten Umständen im Hinblick auf eine weitere Risikobeurteilung empfohlen.
Für die Bestimmung der Cholesterinwerte muss der Patient nicht zwingend nüchtern sein, da nur die Triglyerid-Werte durch Nahrungsaufnahme im Schnitt um 30 mg höher ausfallen.
Gesunde Menschen mit niedrigen Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall:
LDL-Cholesterin-Zielwert unter 116 mg/dl
Von einem niedrigen Risiko spricht man, wenn das ermittelte 10-Jahres Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall unter 1 Prozent ist. Das Risiko kann mit einem SCORE (Systematic Coronary Risk Estimation) bestimmt werden. Die bekanntesten Score-Systeme sind der Framingham-, der PROCAM- und der ESC-Score.
Der LDL-Wert sollte bei Patienten mit niedrigen Risiko unter 116 mg/dl liegen. Die anderen Blutfette spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. Das "gute" HDL-Cholesterin sollte 40-60 mg/dl betragen. Beim Gesamtcholesterin wird ein Wert unter 190mg/dl als normal angesehen. Zusätzlich sollten die Triglyceride (Neutralfette) unter 150 mg/dl sein.
Bei moderaten Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall:
LDL-Cholesterin-Zielwert unter 100 mg/dl
Wenn das in einem SCORE-System berechnete Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall innerhalb der nächsten 10 Jahre 1 bis 5 Prozent berträgt, ist bei diesem mäßig erhöhten Risiko ein LDL-Wert unter 100 mg/dl anzustreben.
Bei hohen Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall:
LDL-Cholesterin-Zielwert unter 70 mg/dl
Von einem hohen Risiko spricht man, wenn das Risiko einen Herzinfarkt oder Schlaganfall in den nächsten 10 Jahren zu bekommen 5 bis 10 % beträgt.
In diese Gruppe gehören zudem Patienten mit einer deutlichen Erhöhung eines einzelnen Risikofaktors wie familäre Hypercholesterinämie, Diabetes mellitus (ohne Endorganschaden oder weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren) sowie Patienten mit einer moderaten Niereninsuffizienz (GFR 30–59).Rauchen, schwerer Bluthochdruck (über 180/110), deutlich erhöhte Triglyceride (über 310 mg/dl) oder niedrige HDL-Werte führen zur Eingruppierung in diese Risikogruppe.
Auch wenn nahe Verwandte wie Eltern oder Geschwister einen Herzinfarkt oder Schlaganfall in einem Alter unter 60 Jahren erlitten haben, muss man von einem hohen Risiko ausgehen.
Bei Patienten mit hohen Risiko sollte der LDL-Cholesterinwert unter 70 mg/dl sein.
Bei einem ohne Therapie nur mäßig erhöhten LDL von 100–200 mg/dl ist eine Senkung des LDL um mehr als 50 % anzustreben.
Bei sehr hohen Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall:
LDL-Cholesterin-Zielwert unter 55 mg/dl
Patienten mit einem 10-Jahresrisiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall über 10 Prozent werden dieser Risikogruppe zugeordnet. Auch der Nachweis größerer Plaques im Gefäß-Ultraschall führt zur Eingruppierung in diese Höchstrisikogruppe. Zudem folgende Erkrankungen:
Herzinfarkt, Herzkranzgefäßerkrankung (KHK ),Schlaganfall, transitorisch-ischämische Attacke(TIA), Verengung der Halsschlagader (Carotisstenose), Aortenaneurysma, Durchlutungstörungen der Beine (AVK).
Diabetes mellitus mit Endorganschaden (z. B. Proteinurie) oder zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktor wie Rauchen oder Bluthochdruck, ausgeprägte Niereninsuffizienz (GFR < 30 ml).
Der LDL-Cholesterin-Wert sollte bei Patienten mit sehr hohen Risiko unter 70 mg/dl oder mindestens um 50% gesenkt werden.
So ist neben dem LDL-Zielwert bei diesen Hochrisiko-Patienten mit nur leicht erhöhtem LDL von 70–135 mg/d eine Senkung des LDL um mehr als 50 % als zusätzliches Therapieziel definiert. Bei Patienten mit einem LDL-Wert von 100 mg/dl sollte er z.B. unter 50 mg/dl gesenkt werden. Diese Empfehlung wird durch Studien unterstützt, die zeigen konnten, dass die LDL-Senkung auch bei Patienten mit nur moderat erhöhten LDL zu einer Risikosenkung führt.
Untersuchungen haben ergeben, dass in Deutschland leider bei etwa 2,5 Millionen Patienten mit einem sehr hohen Herz-Kreislauf-Risiko der angestrebte LDL-Zielwert von 55 mg/dl wegen unzureichender Medikation verpasst wird. Hinzu kommt, dass selbst bei maximaler Therapie mit Statinen noch ca. 200.000 der Hochrisikopatienten in Deutschland einen LDL- Wert über 160 mg/dl haben.
Wenn es innerhalb von 2 Jahren trotz Therapie zu einem erneuten fatalen Ereignis wie Herzinfarkt oder Schlaganfall kommt, sollte sogar ein LDL unter 40 mg/dl werden.
Zusammenfassung der LDL-Cholesterin-Zielwerte - Leitlinien ESC/EAS 2019
Für die verschiedenen Risikogruppen sind die empfohlenen Zielwerte der LDL-Cholesterinkonzentration:
Für Patienten, die trotz Therapie innerhalb von zwei Jahren 2 kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten, soll der LDL-Wert auf < 40 mg/dl gesenkt werden.
Für Höchstrisikopatienten < 55 mg/dl oder eine Absenkung um 50 % bei einem Ausgangswert des LDL zwischen 70 und 135 mg/dl.
Für Hochrisikopatienten < 70 mg/dl oder eine Absenkung um 50 % bei einem Ausgangswert des LDL zwischen 100 und 200 mg/dl.
Für Patienten mit mittlerem Risiko < 100 mg/dl
Für Patienten mit niedrigen Risiko < 116 mg/dl Nur mit einer individuellen Risikobeurteilung anhand Ihrer Anamnese und einem umfangreichen Herz-Gefäß-Check können wir Sie einer dieser Risikogruppe zuordnen. Bitte haben Sie deshalb Verständnis dafür, dass unsere Cholesterin-Experten für eine alleinige Beurteilung von Vor- und Fremdbefunden nicht zur Verfügung stehen.